October 24, 2007

nachruf

Wir trauern um unseren Kollegen und Freund Erwin Müller.

In seiner mehr als 26 Jahre dauernden Institutszugehörigkeit hat Erwin Müller durch seine wissenschaftlichen Leistungen, seien Lehre, seine umsichtige Betreuung von Doktoranden, Studierenden und Praktikanten sowie seine herausgeberische Tätigkeit wesentlich zum Erfolg der Arbeit des Institutes und zu seinem internationalen Ruf beigetragen. Er starb nach kurzer schwerer Krankheit im Alter von 59 Jahren am 22. Oktober 2007.
Erwin Müller war seit 1981 wissenschaftlicher Referent am IFSH. Er arbeitete intensiv an den großen Institutsprojekten der 1980er und 1990er Jahre mit. Besonders verdient machte er sich um die Herausgabe zahlreicher Sammelbände, allein elf in der Reihe „Demokratie, Sicherheit und Frieden“. Er war Mitbegründer und Mitherausgeber der Buchreihe „Frieden durch Recht“. Erwin Müller beteiligte sich an der Lehre im Masterstudiengang „Friedensforschung und Sicherheitspolitik“, war Koordinator für die Betreuung der Praktikantinnen und Praktikanten des Instituts und leitete über viele Jahre das IFSH-Doktorandenprogramm. Außerdem war Erwin Müller seit 1983 Mitherausgeber und Chefredakteur der sicherheitspolitischen Fachzeitschrift „Sicherheit und Frieden (S+F)“.
Unter Erwin Müllers fachlichen Stärken ist an erster Stelle sein messerscharfes, von Logik geprägtes konzeptionelles Denken zu nennen. In den 1980er Jahren durchdrang er damit vor allem Fragen im Umfeld der europäischen Rüstungspolitik und in den 1990er Jahren der europäischen Friedensordnung. In jüngster Zeit befasste er sich mit Themen im Umfeld von Internationaler Polizei, Internationaler Gerichtsbarkeit und Internationalem Terrorismus. Mit seiner scharfen kritischen Intelligenz legte er logische Inkonsistenzen und argumentative Schwächen offen, in amtlichen Stellungnahmen wie in wissenschaftlichen Texten. Gerne kleidete er Einsichten in Anekdoten in platonscher Manier um einen Sachverhalt anschaulicher bzw. auf allegorische Weise darzustellen. Erwin Müller war sehr belesen. Seine umfassenden Kenntnisse über Aspekte der internationalen Politik und des internationalen Rechts waren im IFSH und darüber hinaus Legende. Seine sprachliche Kunstfertigkeit war beeindruckend. Auch auf Grund seiner ausgeprägten editorischen Fähigkeiten war er ein gesuchter Partner für Veröffentlichungen. In besonderer Weise haben die zahlreichen Praktikantinnen und Praktikanten des Instituts, die Erwin Müller im Laufe der Jahre betreut hat, von seinem Wissen und seinen intellektuellen Fähigkeiten profitiert. Erwin Müller war über das Fachliche hinaus immer ein geachteter Kollege, auf dessen Rat Gewicht gelegt wurde und auf dessen Wort Verlass war.
Erwin Müller wurde am 19.12.1947 in Hochstadt auf der Schwäbischen Alb geboren. Nach Abitur und Wehrdienst studierte er Politikwissenschaft, Soziologie und Zeitgeschichte an der Universität Tübingen. Er schloss das Studium 1976 mit dem Magisterexamen (MA) ab und promovierte 1985 über das Thema „Rüstungspolitik und Rüstungsdynamik in den USA“ in Tübingen bei Volker Rittberger zum Dr. rer. soc. Ab Juli 1978 arbeitete er in Tübingen an einem Forschungsprojekt zur Reform der Abrüstungsplanung im System der Bundesrepublik Deutschland.
Als Wissenschaftlicher Referent am IFSH arbeitete Erwin Müller zunächst zu Fragen der „Nachrüstung“ und zu Vertrauens- und Sicherheitsbildender Maßnahmen“. In den 1980er Jahren war er intensiv an der Weiterentwicklung des Konzepts der „Gemeinsamen Sicherheit“ beteiligt. Anfang und Mitte der 1990er Jahre leistete er grundlegende Beiträge zum Modell des IFSH für eine Europäische Sicherheitsgemeinschaft. 1992/93 arbeitete Erwin Müller für ein Jahr als Fellow am Center for International Affairs der Harvard University. Ende der 1990er Jahre leitete er ein großes extern finanziertes Projekt zur Erarbeitung eines schlüssigen Konzepts für die Ausübung internationaler Polizeigewalt auf der Grundlage des Völkerrechts und in Übereinstimmung mit rechtsstaatlichen Prinzipien.
Im 2002 neugegründeten Zentrum für Europäische Friedens- und Sicherheitsstudien am IFSH widmete sich Erwin Müller intensiv dem Spannungsverhältnis von Sicherheitspolitik und der Wahrung des Rechts, insbesondere im Zusammenhang mit der von ihm kritisch beurteilten Schwächung von Rechtsprinzipien bei der Abwehr von Terrorgefährdungen. Seine publizistischen Kommentare, unter anderem für das Handelsblatt, fanden öffentliche Aufmerksamkeit. In den letzten Jahren untersuchte er in enger Zusammenarbeit mit Patricia Schneider unter anderem die Entwicklung der polizeilich-justiziellen Zusammenarbeit in der Europäischen Union. Seine letzte größere Veröffentlichung war die gemeinsame Herausgabe mit Patricia Schneider der Nummer 2/2007 der Zeitschrift „Sicherheit und Frieden“ mit dem Schwerpunkt „Humanitäres Völkerrecht“. Der plötzliche Tod riss ihn aus seiner vor dem Abschluss stehenden Untersuchung zur Verbesserung der Sicherheit der Seehäfen der Partnerstädte Hamburg und Shanghai gegen die Gefahr von Terroranschlägen.
Die so unerwartete Nachricht von dem plötzlichen Tod von Erwin Müller trifft die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des IFSH tief. Er war ein beliebter und geachteter Kollege, stets bereit zu klugem Rat, bekannt für unkonventionelles Denken und seine Bereitschaft zu streitbarem Diskurs. Seine zahlreichen Studierenden, Praktikanten und Doktoranden haben die stets umsichtige und geduldige wissenschaftlichen Anleitung geschätzt, vor allem auch seine seltene Gabe zu einer partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit den Betreuten.. Wir werden den Menschen und Wissenschaftler Erwin Müller vermissen und ihm ein ehrendes Andenken bewahren.

Hamburg, im Oktober 2007

1 comment:

Supersonic said...

ja, also für mich gilt dasmit dem andenken